Nasse Straßen sind eine oft unterschätzte Gefahr

20. September 2022

Platzregen wie Gewitter gehören zum Sommer. Wenn der Fahrer geborgen im klimatisierten Auto sitzt, während draußen die ersten Tropfen fallen, entsteht oft ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Immer wieder erliegen nach den Beobachtungen von Jürgen Lebherz Autofahrer dann einem fatalen Irrtum: „Bei Aquaplaning helfen elektronische Assistenzsysteme wie ESP und ABS praktisch gar nichts, denn in solchen Fällen reduziert sich der Grip der Reifen auf Werte von Glatteis, mithin gegen null“, erläutert der Fachmann des TÜV SÜD in München. Ohne eine Mindestgriffigkeit der Pneu können die Assistenzsysteme ihre stabilisierende Wirkung nicht ausspielen. Werden Straßen plötzlich nass, heißt es als erstes, den Abstand zu den anderen Fahrzeugen zu vergrößern. Dazu aber auf keinen Fall scharf bremsen, sondern langsam vom Gas gehen. Das gilt besonders auf Autobahnen. Vor allem wichtig: den Verkehr beobachten – speziell den Rückwärtigen – und Ruhe bewahren. Heftige Lenkbewegungen und starkes Beschleunigen vergrößern die Aquaplaning- wie Rutschgefahr. Vor Kurven sollte deshalb auf jeden Fall die Geschwindigkeit reduziert und gleichmäßig hinein sowie wieder hinaus gelenkt werden. Übrigens: Dass Allradler gegen Aquaplaning gefeit sind, ist ein weitverbreiteter Stammtischglaube.

Oft sinkt bei plötzlichem Regen die Sicht drastisch. Drinnen beschlägt die Windschutzscheibe wegen des plötzlichen Temperaturunterschieds. Deshalb auch hier: Geschwindigkeit anpassen und Gebläse sowie Klimaanlage auf Maximum einschalten. Das sorgt schnell wieder für klare Sicht. Schon vor der Fahrt sollte man überdies darauf achten, dass die Scheibenwaschanlage aufgefüllt ist. Empfehlenswert sind Zusätze für die Entfernung von „Insektenleichen“ von der Frontscheibe. Fehlen diese Additive, drohen durch den Einsatz von Wischwasser starke Sichtbeeinträchtigungen.

Das Aquaplaning-Risiko lässt sich reduzieren, wenn man die Fahrbahn sorgsam beobachtet. Aufschwimmen droht, wenn die Fahrstreifen vorausfahrender Fahrzeuge schnell wieder verschwinden oder sich Rinnen oder Pfützen bilden. Weitere Warnhinweise sind ein schwammiges Gefühl im Lenkrad oder kurzes Durchdrehen der Antriebsräder beim Überfahren von Fahrbahnmarkierungen, beispielsweise bei der Auffahrt auf die Autobahn. Erhöhtes Aquaplaning-Risiko besteht zudem auf ausgefahrenen Fahrbahnen und in Senken.

Selbst wenn der Eindruck etwas anderes sagt, man sollte sein Fahrverhalten unverzüglich den veränderten Fahrbedingungen anpassen. Regen bedeutet grundsätzlich erhöhte Unfallgefahr. Der Bremsweg verlängert, die Sicht verschlechtert sich. „Vorrausschauendes Fahren mit angepasster Geschwindigkeit und größtmögliche Abstände schaffen ebenso Sicherheit in solchen Situationen wie weiches und sanftes Lenken sowie ein gefühlvoller Umgang mit Bremse und Gas“, empfiehlt der TÜV SÜD-Experte.

Besondere Vorsicht bei Unwettern ist innerhalb geschlossener Ortschaften angesagt. Hier sollte man bei plötzlichem Regen verstärkt Fußgänger im Augenmerk halten. Die wollen oft schnell die Straße überqueren, um der Nässe zu entfliehen, selbst bei roten Fußgängerampeln. Im Bereich von Unterführungen droht bei Platzregen schnell Überflutungsgefahr. „In solche Passagen sollte man niemals hineinfahren“, warnt Lebherz: „Ist die Elektrik einmal nass, bleibt man im Wasser stecken.“